In diesem Kapitel wird präzisiert, wie Formeln der Aussagenlogik und der Prädikatenlogik erster Stufe Wahrheitswerte zugeordnet werden können. Darauf bauen dann formale Definitionen von semantischen Begriffen wie der ,,Folgerung`` auf.
Die klassische Logik - Aussagenlogik sowie Prädikatenlogik - hat zwei Wahrheitswerte: wahr, notiert w, und falsch, notiert f. Dabei handelt es sich um eine Festlegung, die keineswegs selbstverständlich ist. Mehrwertige Logiken wären in der Informatik oft vorteilhafter, etwa zur Wissensrepräsentation (drei sinnvolle Wahrheitswerte sind: bekanntlich wahr, bekanntlich falsch, Wahrheitswert unbekannt) oder zur Formalisierung von Programmabläufen (drei sinnvolle Wahrheitswerte sind: terminiert erfolgreich, terminiert erfolglos, terminiert nicht).
Wie die zwei Wahrheitswerte notiert werden, ist unwesentlich: oft werden statt w und f auch 0 und 1 verwendet. Man könnte auch z.B. ∗ und benutzen. Was unter Wahrheit und Falschheit zu verstehen ist, soll außerdem nicht von nichtmathematischen Überlegungen belastet werden: hier handelt es sich im Grunde nur um Namen für die Elemente einer zweielementigen Menge {w,f}. Die Bedeutung dieser Elemente wird nicht weiter festgelegt, sondern nur Regeln für ihre Verwendung.
Die Semantik der Aussagenlogik wird dadurch definiert, dass jedem n-stelligen Junktor eine n-stellige Boole'sche Funktion, d.h., eine (totale) Funktion {w,f}n→{w,f}, zugeordnet wird. Wir werden zeigen, dass sich der Wahrheitswert jeder zusammengesetzten Formel F aus den Wahrheitswerten der in F vorkommenden atomaren Formeln ergibt. Zunächst wird untersucht, wie die Junktoren mittels Boole'schen Funktionen interpretiert werden können.